Wege der Kostenreduzierung bei Trennung und Scheidung
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- Erstellt am Sonntag, 15. Juni 2003 14:47
Ein wesentlicher Aspekt bei der Bearbeitung familienrechtliche Mandate ist im Vorfeld einer Mandatserteilung immer die Frage nach den Verfahrenskosten. Sehr oft bestehen keine klaren Vorstellungen über die mit einer Scheidung verbundenen notwendigen Kosten, die aus der Sicht des Mandanten immer zu hoch erscheinen. Ebenso werden diese Fragen auch in der Bezirksstellenarbeit des Interessenverbandes Unterhalt und Familienrecht (ISUV) gestellt. Es wird deutlich, dass sich der Mandant und Ratsuchende zu wenig mit diesen Fragen beschäftigt hat und auch nicht korrekt im Rahmen einer Erstberatung aufgeklärt wurde. Hierzu ist ein Rechtsanwalt nach seinen Standesrichtlinien verpflichtet.
Die einzelnen Gebühren für eine Scheidung orientieren sich in der Höhe zunächst an dem Streitwert, der sich im Rahmen einer Scheidung aus vielen Einzelstreitwerten zusammensetzt und die lediglich Auskunft geben, in welchem Rahmen sich eine Einzelgebühr bei Gericht oder einem Rechtsanwalt bewegt. In einem Ausgangsfall wird neben der Scheidung und der Durchführung des Versorgungsausgleichs auch die Klärung des Unterhalts für die Ehefrau und den Kindern, der vermögensrechtlichen Fragen und der Wohnungszuteilung nebst der Aufteilung des Hausrats beantragt. Ebenso wird um das Sorgerecht und das Umgangsrecht für die Kinder gestritten. Hierfür betragen die Streitwerte wie folgt:
Bei der Scheidung werden die beiderseitigen monatlichen Nettoeinkünfte beider Ehepartner bezogen auf drei Monate unter Abzug einer Pauschale von 250,- € pro Kind (von Gericht zu Gericht unterschiedlich) ermittelt. M verfügt über ein bereinigtes Nettoeinkommen von 2.500,- €, F über lediglich 500,- €. Beide haben 2 Kinder, für die ein Abzug von 500,- € erfolgt. Der spätere Versorgungsausgleich liegt bei 250,- €, der von dem Rentenkonto des M auf das Rentenkonto der F übertragen werden muss. M zahlt jeweils 300,- € und 150,- € an Unterhalt für die Kinder, an die F einen Unterhalt von 620,- €.
Der Streitwert für den Zugewinn ermittelt sich nach dem Zugewinnausgleichsbetrag und liegt bei insgesamt 50.000,- €, der Wert der Wohnungsauseinandersetzung orientiert sich an dem monatlichen Mietwert von 1.250,- €, bezogen auf ein Jahr, und liegt daher bei 18.000,- €. Der Hausrat ist nur mit einem Ausgangsbetrag von 1.000,- € zu bemessen, da der Wert des Mobiliars nur nach dem bei einem Verkauf erzielbaren Marktwert ermittelt wird. Hinsichtlich der Auseinandersetzung mit den Kindern liegt der Streitwert bez. Sorge- und Umgangsrecht nur bei jeweils 500,- €, außerhalb einer anhängigen Scheidung als Einzelverfahren bei jeweils 3.000,- €.
Für die Scheidung und den Versorgungsausgleich ist von einem Ausgangs- oder Mindeststreitwert von 2.000,- € für die Scheidung selbst und von 500,- € für den Versorgungsausgleich auszugehen.
Dieses ergibt für die Ermittlung der einzelnen Gebühren folgenden Ausgangsbetrag.
Scheidung | 8.500,- € |
Unterhalt für die Kinder | 5.400,- € |
Unterhalt für die Ehefrau | 5.400,- € |
Versorgungsausgleich | 3.000,- € |
Zugewinnausgleich | 50.000,- € |
Ehewohnung | 18.000,- € |
Hausrat | 1.000,- € |
Sorgerecht | 500,- € |
Umgangsrecht | 500,- € |
Gesamtsumme | 94.340,- € |
Mit diesem Streitwert muss der Mandant leben, der eine streitige Scheidung in Auftrag gibt und alle Folgesachen anhängig macht. Die Höhe des Streitwerts hängt also von der konkreten Auftragserteilung ab. Der Rechtsanwalt darf seine Gebühren nicht von Einzelaufträgen errechnen, über die er keinen Auftrag verfügt. Hier kann also der Mandant bereits die Höhe der späteren Gebühren beeinflussen und diese aus dem Auftrag herausnehmen oder für die einzelnen Teilbereiche konkrete Vollmachten ausstellen. Maßgeblich ist die Vollmacht, diese muss demnach zumindest eine konkrete Bezeichnung der Angelegenheiten enthalten, die den Gegenstand des Mandats ausmachen. Die Bezeichnung als Scheidungsangelegenheit schließt obige Angelegenheiten - auch nach einer Rücksprache - im Zweifel ein.
Nach der Erstberatung, die eine einmalige Beratungsgebühr von maximal 180,- € zzgl. der 16% Mehrwertsteuer nach sich zieht und die gleichzeitig in die Geschäftsgebühr mit einbezogen ist, geht das Verfahren in die außergerichtliche Bearbeitung über. Hierbei entsteht zunächst die Geschäftsgebühr, die jede Tätigkeit umfasst, mit der die Angelegenheit gegenüber der anderen Partei betrieben wird. Diese wird auf die Prozessgebühr angerechnet, die entsteht, wenn der Scheidungsantrag eingereicht wird. Maßgeblich ist auch hier die Auftragserteilung. Die Geschäftsgebühr geht gem. § 118 II BRAGO in der Prozessgebühr auf, mit der Folge, dass maximal nur eine 10/10 Gebühr in Rechnung gestellt werden darf.
Schwieriger ist die Unterscheidung bei Rücksprachen mit der Gegenseite, findet sich doch oft der harmlose Satz in der Rückantwort des Rechtsanwalts, laut telefonischer Rücksprache mit der Gegenseite... Solange diese in der Phase der reinen außergerichtlichen Fallbearbeitung erfolgt, entsteht hierfür die Besprechungsgebühr nach § 118 I Nr. 2 BRAGO. Mit Beginn der gerichtlichen Auseinandersetzung entsteht diese Gebühr nicht mehr.
Werden in der Phase der gerichtlichen Auseinandersetzung vor Gericht Sachanträge gestellt, entsteht hierbei die Verhandlungsgebühr nach § 31 I Nr. 2 BRAGO. Ebenso findet sich in Gerichtsprotokollen der Satz: Die Sach- und Rechtslage wurde zwischen den Parteien erörtert. Dieser Hinweis bedeutet, dass eine gerichtliche Erörterungsgebühr nach § 31 I Nr. 4 BRAGO entstanden ist. Nach § 31 II BRAGO kann nur eine dieser beiden Gebühren Grundlage einer Kostenrechnung bilden. Im letzten Fall also nur die Erörterungsgebühr. Auch nach Zustellung des Scheidungsantrages, also nach Rechtshängigkeit, können über Folgesachen außergerichtliche Verhandlungen geführt werden. Dann fällt die Besprechungsgebühr ebenso an, wie wenn gerichtlich anhängige Folgesachen nur im Termin erörtert werden. Ist dies nicht der Fall und wird unstreitig verhandelt, erhält unser Mandant M nach Abschluss der Scheidung folgende Kostenrechnung:
Streitwert | 94.340,- € |
Prozessgebühr, § 31 I Nr. 1 BRAGO | 1.277,- € |
Verhandlungsgebühr, § 31 I Nr. 2 BRAGO | 1.277,- € |
Beweisgebühr, § 31 I Nr. 3 BRAGO | 1.277,- € |
Auslagenpauschale | 20,- € |
16 Kopien zu 0,50 € | 8,- € |
16% Mehrwertsteuer | 617,44 € |
Summe | 4.476,44 € |
Zu diesen Gebühren für den Rechtsanwalt kommen noch 378,- € an einer halben Gerichtsgebühr hinzu. Damit liegen diese Kosten für M bei insgesamt 4.890,63 €. Ebenso für die F, die einen eigenen Rechtsanwalt beauftragt hat.
Diese lassen sich nur durch eine genaue Definition und Eingrenzung der zu bearbeitenden Angelegenheiten vermeiden. Eine Entlastung könnte die notarielle Klärung des Zugewinnausgleichs und der Regelung mit der Ehewohnung bringen. Die Regelung des Zugewinnausgleichs vor Ehescheidung ist ebenso notariell beurkundungspflichtig wie die Auseinandersetzung einer gemeinsamen Immobilie. Der Streitwert reduziert sich hierbei bereits um einen anteiligen Betrag von 65.000,- €. Wird nun der Kindesunterhalt bei Einigkeit durch eine kostenfreie Jugendamtsurkunde tituliert, verringert sich der Streitwert um weitere 5.400,- €. Ebenso können Fragen des Sorge- und Umgangsrechts auch zunächst im Wege einer außergerichtlichen Einigung abgeklärt werden, so dass sich Anträge bei Gericht erübrigen. Dieses bringt eine weitere Reduzierung mit sich. Ebenso bietet es sich auch an, den Hausrat außergerichtlich zu regeln. Auf diese Weise reduziert sich der Streitwert um einen weiteren Betrag von insgesamt 2.000,- €. Eine gerichtliche Klärung ist damit nur noch für die Scheidung selbst, den Versorgungsausgleich und den Ehegattenunterhalt erforderlich. Der Streitwert reduziert sich um einen Betrag von 72.400,- € und liegt damit nur noch bei 18.940,- €. Der Rechtsanwalt hat die übrigen Angelegenheiten im Wege der außergerichtlichen Tätigkeit abgeklärt, wie den Zugewinnausgleich, die Zuweisung der Ehewohnung mit dem Hausrat und die Ermittlung des Kindesunterhalts. Hierfür ist ein Streitwert von 76.440,- € anzusetzen. In der Angelegenheit des Sorge- und Umgangsrechts war er auch nicht beratend tätig, da hierbei Einigkeit bestand. Die Frage nach dem Ehegattenunterhalt soll gerichtlich nicht geklärt werden, Streitwert daher nur noch 8.500,- € + 3.000,- €. Daher lautet die Kostenrechnung wie folgt:
Gegenstandswert für außergerichtliche Tätigkeit | 76.440,- € |
Geschäftsgebühr, § 118 I Nr. 1 BRAGO 7,5/10 | 900,- € |
Auslagenpauschale | 20,- € |
16% Mehrwertsteuer | 147,20 € |
Summe | 1.067,20 € |
Streitwert für gerichtliche | |
Tätigkeit | 11.500,- € |
Prozessgebühr, § 31 I Nr. 1 BRAGO | 526,- € |
Verhandlungsgebühr, § 31 I Nr. 4 BRAGO | 526,- € |
Beweisgebühr, § 31 I Nr. 3 BRAGO | 526,- € |
Auslagenpauschale | 20,- € |
16% Mehrwertsteuer aus Gesamtbetrag | 255,68 € |
Summe | 1.853,68 € |
Summe | 2.897,68 € |
Anteilige Gerichtsgebühr | 109,50 € |
Gesamtsumme | 3.007,18 € |
Damit liegen die Gesamtkosten pro Ehepartner bei 3.007,18 €. Hinzukommt ein Betrag von 1.067,20 € für die außergerichtliche Bearbeitung der Vermögensfragen. Ebenso könnte auch dem Gericht eine außergerichtliche Unterhaltsvereinbarung für die Ehefrau vorgelegt werden, die Eingang in das Protokoll finden könnte. Sollte diese als Vergleich protokolliert werden, kämen bei beiden Parteien über einen Streitwert von 7.440,- € noch eine Vergleichsgebühr in Höhe von 10/10, also von 412,- €, nebst der 16% Mehrwertsteuer, also ein Betrag von 65,69 €, insgesamt von 477,69 € hinzu. Ebenso ein Betrag von 206,- € nebst 16% Mehrwertsteuer, also von 32,96 €, insgesamt von 238,96 €. Diese Prozessgebühr entsteht in Höhe von 5/10 aus dem o. G. Streitwert entsprechend § 32 BRAGO. Der Gesamtbetrag in Höhe von ebenfalls hälftig aufzuteilen und damit mit einem Betrag von 238,85 anzusetzen ist. Damit liegen die Kosten bei dem jeweiligen Ehepartner bei 4.767,83 €. Dieser Betrag kann um die o. g. 1.044,- € für die Vermögensregelung reduziert werden, wenn eine Regelung in notarieller Form erfolgt. Damit lägen die Kosten für jeden bei nur 3.723,38 €.
Die Beweisgebühr entsteht bei Anhörung der Parteien zu der Frage nach dem Scheitern der Ehe und dem Trennungszeitpunkt.
Sinnvoll ist auch die Überlegung, ob nicht derjenige den Scheidungsantrag stellt, der Anspruch auf die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hat. In diesem Fall würden in Kombination mit einem Fluranwalt, der nur im Termin selbst zum Zweck der Protokollierung eines Vergleichs oder des Rechtsmittelverzichts auftritt, für den M die Kosten sich folgendermaßen reduzieren:
Streitwert: | |
Prozessgebühr, 31 I Nr. 1 BRAGO | 242,- € |
Verhandlungsgebühr, § 31 I Nr. 2 BRAGO | 242,- € |
Beweisgebühr, § 31 I Nr. 3 BRAGO | 242,- € |
Auslagenpauschale | 20,- € |
16% Mehrwertsteuer | 119,36 € |
Summe | 865,36 € |
Für den M entstehen Kosten von 125,- € für den Fluranwalt und von 109,50 € für die Gerichtskosten, also Gesamtkosten von lediglich 234,50 €. Damit reduzieren sich die Kosten für die Scheidung in erheblichem Umfang. Sollte die Ehefrau nur die Prozesskostenhilfe auf Ratenbasis erhalten, also bei einem Einkommen von bereinigt mehr als 450,- € oder einem größeren einsatzfähigen Vermögen von ca. 1.250,- €, müsste sie die entstehenden Kosten nur für die Dauer von maximal 48 Monaten zahlen. Sollte der Gesamtbetrag an Verfahrenskosten noch nicht abgedeckt sein, würde dieser Anteil entfallen. Für die Ermittlung des Einkommens können alle Abzüge von regelmäßiger Dauer in Ansatz gebracht werden, also alle laufenden Tilgungen, unabhängig von dem Entstehungsgrund und dem Anlass.
Rechtsanwalt Manfred Hanesch
Quelle: Report Nr. 96, Juni 2003/2, S. 14 ff